Grenzgänger im surrealen Vakuum

Unbetitelt bleibt die Ausstellung des Malers Udo Sieberer (München) in der "Galerie im Rathaus" in Sommerhausen, die bis zum 30. Juni im Rahmen der "Sommerhäuser Impressionen" zu sehen ist.

Unbetitelt bleiben jedoch nicht seine zwischen Realismus und Surrealismus angesiedelten Werke. Udo Sieberer, der in Salzburg Malerei studierte und mehrere Assistenzen bei bekannten Malern und Grafikern ableistete, bewegt sich als Grenzgänger nicht nur zwischen Realismus, Surrealismus und Symbolismus. Er kombiniert darüber hinaus eine streng fotorealistische Stilgebung mit freier Malerei, was den Bildern ein ausgesprochen reizvolles Gepräge verleiht.

Momentaufnahmen

Auffallendes Element der Ölgemälde ist die, meist als Ausblick gestaltete, Momentaufnahme eines Augenblickes, in dem das weitere Geschehen offen bleibt. Der kann unbemerkt zum Natur-Voyeur werden - oder gar Zeuge merkwürdiger Vorkommnisse, und dabei ist er (fast immer) allein.

Dies kennzeichnet einen weiteren Aspekt in Sieberers Malerei: die fast völlige Absenz von Menschen. Eine körperliche Erscheinung gibt es bestenfalls als narrenhaften Schatten oder schemenhaft am Horizont. Nur Relikte menschlicher Besiedlung werden zugelassen.

Architektur und allerlei Produkte einer Kulturgesellschaft ergeben in den Kompositionen Traumbilder einer scheinbar ungerührten, starken Natur. Surreale Situationen stehen im krassen Gegensatz zur realistisch geformten Umwelt. Gegenstände schweben scheinbar im luftleeren Raum, Udo Sieberer erzeugt ein eigenes Vakuum für seine Darstellung.

Reizvolle Polaritäten

Die stiltechnische und inhaltliche Polarität fügt sich mit einem gelungenen Innen und Außen in Sieberers Gemälden zwar zu einer ruhigen Einheit, die jedoch nach und nach ihren wahren Zündstoff entfaltet.

Hier liegt der eigentliche Reiz im Umgang mit Udo Sieberers Gemälden, Realität und Traum, Sinn und Unsinn des Betrachtenden zu überdenken, damit zu spielen und zu spekulieren. Die Gemälde können zu einfachen Spekulationen, aber auch zu einem poetischen Rankenwerk verleiten. Alles ist offen, alles ist möglich.

Main-Post, den 4. Juni 1996 von Jeanne E. Rehnig.