In magisch-malerischen Welten

Grünrot leuchtet der pralle Apfel vor der grauen Betonmauer. Daneben, überdimensional und in grell-bunten Farben, ragt eine Streichholzschachtel empor. Etwas Unwirklich Traumhaftes liegt dem Bild zugrunde. Wie fast alle Werke von Udo Sieberer strahlt auch dieses "Apfelbild" eine gewisse Einsamkeit. Eine Art von Endzeitstimmung aus. Zu sehen sind die Ölbilder des in Österreich geborenen Künstlers in der Galerie im Gallier (GiG) in Osterath.

Daß ausgerechnet der Apfel immer wieder Motiv ist, kommt nicht von ungefähr. "Schließlich steckt in diesem für uns sehr bekannten Obst eine ungeheure Symbolik", meint Sieberer: Mal der halbbeherzte, als Kitsche inmitten von grauem Gras liegender Apfel, mal als Hoffnungsspender grüner Punkt in einer menschenleeren, eintönigen Landschaft - der Apfel durchzieht Sieberers Bilder wie ein roter Faden.

Daneben übt das Schachspiel eine große Faszination auf den 39jährigen aus. "Das Schach-Spielfeld ist eine kleine Welt für sich, in der immens vielfältige Möglichkeiten stecken", erklärt Sieberer. Er spiele gerne Schach, weil es nicht einfach zu fassen sei. So variantenreich wie das Spiel selbst, sind Sieberers Bilder, in die er die schwarz-weißen Quadrate eingeflochten hat. So sprießt hoffnungsfroh zartgrünes Gras aus den schachbrettartig angeordneten Pflastersteinen des "Gezeitenturms".

Eine weiße Feder und ein Würfel vor einer futuristisch anmutenden Berglandschaft, ein dunkler Holzstuhl mit abgebrochener Lehne inmitten öd-grauer Hügel oder das zerlaufende Eis neben Waffel und Kaffeetasse auf dem weißen Tischtuch. So fantastisch-traumhaft Sieberers Bilder anmuten, so realistisch sind sie gemalt. In seinen Werken gibt es viel zu sehen, der Betrachter muß sich Zeit nehmen. "Ölfarbe auf Leinwand zu bringen, ist eine aufwendige Prozedur", betont der Künstler. Die Zeit und Muße, die der Entstehung der Bilder gewidmet ist, scheinen aus den Exponaten des Österreichers zu sprechen. Wer sich die Zeit nimmt, kann sich in die malerisch-magische, geheimnisvolle, von Symbolen bestimmte Welt des Udo Sieberer führen lassen.

Noch bis zum 29. September ist die Ausstellung in Osterath zu sehen.

Rheinische Post, den 6. August 1996.