Gläser, Früchte, Telefone

V.S. - Eine nach der anderen rollen die leicht gekräuselten Wellen an den flachen Sandstrand, an dem ein barocker Polsterstuhl steht. Durch einen Dunstschleier schickt die Abendsonne gelblich fahles Licht, das das Meer metallisch glänzen lässt. Udo Sieberer gab seinem Ölbild den Titel "In einem anderen Land" und unterstrich damit die melancholische Stimmung. Die Galerie "Zone F" (Mainzer Straße 17, Wilmersdorf) zeigt gegenwärtige Werke des in München lebenden Österreichers.

Die in altmeisterlicher Technik gemalten Bilder, ob Stilleben oder surreale Kompositionen, zeigen allegorische Szenen. Da steht eine mit einem Tuch weiß gedeckte, leere Tafel unter gewittrigem Himmel wie ein Wellenbrecher am Strand; ein anderer Tisch, mit einem Bonsai-Wäldchen darauf, steht in öder Wüstenei hinter einem riesigen Rotweinglas und darüber weht von einem dürren Ast ein blau-weißer Wimpel. In anderen Arbeiten verschachtelt Sieberer (Jahrgang 1957) Architekturteile und drapiert Früchte und Pflanzen und Steine, Gläser und Kannen und Telefone hinein.

Er variiert die Versatzstücke, um immer wieder neue Arten von Melancholie auszudrücken. Da findet er grüblerisch düstere Spielarten, aber auch heiter besinnliche.

Immer wieder tauchen dabei die Karnevalsmaske und die Narrenkappe auf. Manchmal erscheinen sie nur als Schatten. Eines aber fehlt nie in den Szenarien: eine nicht endende Weite. Und oft werden Tische und Mauern unversehends zu Landschaften und verlieren sich in den Horizont hinein.

DIE WELT, Freitag, den 29. November 1996